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Aus dem Leben eines Hofsklaven.

Im Jahr 1961, mitten in der Walpurgisnacht, wurde ich in einem Dorf mit gerade mal 7 Häusern geboren. Es war eine Hausgeburt mit Hebamme. Fortan fühlte ich mich - zudem ich auch noch mit roten Haaren auf die Welt kam, welche später blond und noch später "lichtblond" wurden - als zünftige Hexe.
Das Dorf selbst befindet sich in Thüringen, im ehemaligen Grenzgebiet zu Hessen. Als solches existiert es heute nur noch materiell, da es verwaltungstechnisch in das nächstgrössere Dorf eingemeindet wurde. Es gibt seinen Namen nur noch in der Erinnerung.

Als Kind, und später dann auch als Jugendlicher, habe ich oft den riesigen Wald durchstreift, von dem das Dorf umgeben war, die gigantischen Bäume bestaunt, die weit in den Himmel ragten, mich im weichen Moos niedergelassen und bisweilen stundenlang scheue Tiere beobachtet.

Gleichsam ist in mir nicht nur tiefe Naturverbundenheit, sondern auch Verbundenheit mit den Schwachen und Wehrlosen herangereift. Die Frucht dessen hat mich niemals wieder verlassen, im Gegenteil ist sie immer grösser geworden.

Und es betraf nicht nur Tiere. Ich kann mich an eine Begebenheit aus der Schulzeit erinnern, als ein Schwächling von Männlein und Weiblein gemobt und geschlagen wurde. Er wehrte sich nicht. Der einzige, der ihm beistand, war ich. Und dies um den Preis des Verlustes meines bis dato unangetasteten Status innerhalb der Schülergemeinschaft.
Mitleid kennt keine Speziesgrenzen, ob es ein Insekt ist, das jemand erschlägt, oder ob es ein schwacher Mensch ist, den Jemand verprügelt. Mitgefühl drängt direkt aus der Seele und es streckt seine warmen, diaphanischen Hände hungrig nach allem aus, was leidet. Ein Grund, warum ich, seit ich zurückdenken kann, mit Tieren solidarisch war, warum sie immer einen festen Platz unter dem weiten Dach meines Mitgefühls inne hatten. Ob Haustiere oder Wildtiere - wie ein Bruder fühlte ich mich mit ihnen verbunden. Nie habe ich sie als niedere Geschöpfe betrachtet, vielmehr verstand ich sie als gleichwertige Wesen, die weinen und lachen, lieben und leiden , Angst und Glück empfinden können, wie wir. Von einem Anthropozentriker war ich immer (und bin ich heute umso mehr) weit entfernt.

Die Liebe und das Verbundenheitsgefühl zu Tieren, die Solidarität mit den Schwächeren, war auch der Auslöser dafür, dass ich mit 17 Jahren zum Vegetarier wurde, was in der damaligen DDR nicht ganz so einfach war, denn das diesbezügliche Nahrungsmittelangebot war nicht nur öde, sondern auch begrenzt. Aus diesem Grund hielt mein Abstecher ins Vegetarische auch nur ein einziges Jahr- ein Jahr allerdings, in dem mich das Gewissen nicht plagte und in dem ich eine deutliche Verbesserung meiner körperlichen Konstitution verspürte.

Nach Abschluss der 10. Klasse der Polytechnischen Oberschule begann ich eine Lehre als Instanthaltungsmechaniker. Laut meinen Eltern musste ich etwas lernen, um später Geld zu verdienen und meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das klang zumindest logisch und so habe ich mich darauf eingelassen.
Wie viel lieber wäre ich doch in den Wald gezogen, zu all den wunderbaren Wesen, die in ihm lebten, und um wie vieles lieber hätte ich mich von den Früchten der Natur ernährt, als der täglich aufgehenden Sonne, mit nichts anderem als ennuyanter Regelmässigkeit zu begegnen. Ein zugegeben naiver Wunsch in Anbetracht der Menschenfehler, die diese wunderbare Natur angenommen hat.

Nach der Lehre wurde ich nach Berlin zur NVA eingezogen, wo ich 1,5 Jahre verbrachte und 1982 wieder entlassen wurde. Diese Zeit war nicht einfach für Jemanden, der selbst ein Ganzes ist. Die angebotene Alternative zur NVA war allerdings Gefängnis. Aber ich will nicht ganz so schlecht über meinen Wehrdienst reden, denn er gab mir reichlich Gelegenheit, die Tiefen deutscher Klassik zu ergründen, mit deren Studium ich mir die Zeit vertrieb.

Mit dem Fall der Mauer und der Öffnung der Grenzen 1989 kamen sehr schnell mehr Lebensmittel in die damaligen DDR-Geschäfte, vor allem mehr Obst und Gemüse, so dass ich irgendwann den unumkehrbaren Schritt zu veganer Ernährung vollzog. In dieser Zeit wühlten vielerlei Gedanken, teils philosophischer, aber mehr moralischer Art mein Inneres auf. Ich konnte in Quintessenz nicht mehr verstehen, warum Menschen völlig wehrlose Geschöpfe töten, sie einsperren und versklaven, die Grausamkeit mit der sie sie verfolgen, sie verhöhnen und erniedrigen, sie missbrauchen und quälen - Teufel! die Unschuldige martern!
Nein, ich konnte das menschliche Unwesen nicht mehr verstehen und ebensowenig konnte ich verstehen, warum dieses mitleidlose Unwesen die lebendige Natur - seine gottgegebene Heimat, seine ureigene Wiege - bis zur Unkenntlichkeit zerstört, indem es diese Stück für Stück mit seinem törichten Unrat ersetzt.
Genau zu dieser Zeit fiel für mich die endgültige Entscheidung, von nun an - und sofern ich es praktisch ermöglichen konnte - kein Teil dieses Systems mehr zu sein, meinen Konsum soweit einzuschränken wie ich es vermochte und vegan zu leben für immer und ewig, kein Opfer mehr unter meinen irdischen Brüdern zu verursachen. Die im Rahmen der Wiedervereinigung zunehmende Fülle an Nahrungsmitteln in den Geschäften machte diese Entscheidung für mich zugegeben leichter. Heute weiss ich: Es war die beste Entscheidung meines Lebens!

Nach langen Ausflügen in die mannigfaltigen Gefilde der Kunst reifte ab Anfang der 90er Jahre ein nicht unbeträchtliches Interesse an Hard- und Software in mir heran, welches ich 1998 mit einem Abschluss als Fachinformatiker quittierte.
Von da an arbeitete ich im Grossraum Eisenach als leitender Programmierer an verschiedenen IT- Projekten und siedelte im April 2006 nach Nordfriesland um - ich riss praktisch alle Mauern hinter mir ein und - so muss ich das heute nennen - schritt auf der Strasse des Schicksals entschlossen in ein anderes Leben.

Hier in Nordfriesland ergab es sich dann auch, den Betrieb eines Gnadenhofes/Lebenshofes und einer Tierauffangstation auf einem Resthof beginnen zu können. Zugute kamen mir bei diesem Unterfangen die in der damaligen Lehre und späteren Arbeit erworbenen handwerklichen Fähigkeiten, welche beim Aufbau des Hofes unbezahlbar waren. Insofern darf ich meinen Eltern heute dankbar sein, dass sie mich dazu gedrängt haben "was Vernüftiges zu lernen".
Der Hof in Uphusum besteht nun knapp 15 Jahre und hat sehr vielen Tieren dabei geholfen, frühem Tod und quälendem Leid zu entgehen. Und wenngleich das Aufrechterhalten des Betriebes auch von harter körperlicher Arbeit geprägt ist, so bin ich doch zufrieden darüber, hiermit meinen kleinen Beitrag für eine gerechtere Welt geben zu können.